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In einer Fachzeitschrift erschien vor geraumer Zeit ein Artikel mit dem Grundtenor: »Die unterschätzte Vorderhand«.
In der Folgezeit erlebte ich etliche Dispute zu diesem Thema. Vor allem von Anhängern schneller Sportarten und besonders leistungssportlicher Pferdenutzung wurde der Beitrag positiv aufgenommen und Diskussionen endeten dann auch immer wieder in der ebenfalls aus dem Magazin stammenden Argumentation, das Pferd hätte, im Gegensatz etwa zu uns, schon fünfzig Mio. Jahre Zeit gehabt, seinen Bewegungsapparat zu entwickeln. Deshalb sei sein Organismus auch bestens für eine schnellste Bewegung gerüstet, und es würde wohl schon ausgestorben sein, wäre seine Vorderhand so anfällig, wie so oft in der konventionellen Reitlehre behauptet.
An der Argumentation mit der langen Anpassung ist durchaus etwas dran, sagt aber noch nichts aus. Der Verlauf der Gespräche beweist allerdings einmal mehr, dass es selbst alte Reitsporthasen oft nicht schaffen, sich in der Beurteilung evolutionärer Mechanismen von vermenschlichtem Denken zu verabschieden.
Worauf kam es denn im täglichen Daseinskampf eines Wildpferdes in den letzten Jahrmillionen an? So schnell wie möglich zu sein? Sicher nicht, denn dann würde es inzwischen vielleicht weit über Tempo Hundertfünfzig erreichen.
Nein, für das Fluchttier kommt es vor allem darauf an, nur schneller, bzw. ausdauernder als sein Fressfeind zu sein und vor allem früh genug, d. h. bei noch ausreichendem Abstand zu diesem in Bewegung. Darauf war die Entwicklung seiner Anatomie ausgerichtet und alle Mechanismen abgestimmt.
Beschauen wir uns mal ein anderes Fluchttier, das seine Heimat genau wie das Pferd in Amerika hat.
Der Gabelbock ist die einzige Antilopenart der neuen Welt, existiert in mehreren Unterarten und erreicht etwa die Größe unserer europäischen Rehe. Zu seinen Besonderheiten gehört, daß er wohl der einzige Hornträger ist, der jährlich die Zierde seines Hauptes verliert und, ähnlich der Hirschartigen, wieder neu entwickelt. Mit denen hat die Gabelantilope allerdings nichts zu tun. Die Unterscheidung ist denkbar einfach. Während das Geweih der Hirsche aus Knochensubstanz besteht, handelt es sich bei den Haupteswaffen des Gabelbocks um Horn, also um ein Hautprodukt.
Interessant für unser Thema ist jedoch die Geschwindigkeit, die dieser paarhufige Steppenrenner erreichen kann. Es wurde schon Tempo 97 km/h gemessen.
Nun drängt sich die Frage auf, wozu eine solche Sprintfähigkeit, wo es doch weit und breit keinen Fressfeind gibt, der dieses Tempo auch nur annähernd erreichen könnte? Die Evolution funktioniert allerdings nicht erst, seit der Mensch die amerikanische Bühne betrat und alles durcheinander brachte.
Mit seiner Ankunft verschwand der Hauptfressfeind der Gabelantilope, der amerikanische Gepard. Wie schnell der laufen konnte, ist damals nicht gemessen worden, aber sein Körperbau gibt einigen Aufschluss. Er war größer als der rezente afrikanische/asiatische Verwandte, wies aber alle anderen Merkmale dessen auf, und es ist deshalb anzunehmen, dass er ihm in der Geschwindigkeit wohl kaum nachstand.
Allerdings ergaben sich daraus auch die gleichen Nachteile, die in geringer Ausdauer, niedriger Wehrhaftigkeit gegenüber stärkeren Nahrungskonkurrenten usw. erkennbar sind. Wenn er wohl, wie auch sein Altweltverwandter schneller als alle seine Beutetiere (auch die Gabelantilope) gewesen sein dürfte, so hatten diese jedenfalls eine größere Ausdauer und er nur dann die Chance auf einen Jagderfolg, wenn er so nahe an seine Opfer herankam, dass er sie einholen konnte, bevor ihm die Puste ausging.
Das überleben des Gabelbocks begründet sich also nicht nur auf seine Schnelligkeit, sondern auch auf Ausdauer, Wachsamkeit und vor allem auf das Herdenleben.
Selbiges gilt natürlich auch für das Pferd. Der amerikanische Gepard war für dies allerdings keine Gefahr, allenfalls für ein Fohlen, das aber gegen solche Jäger von der Mutter sicher vehement verteidigt wurde.
So lebten alle drei Arten einträchtig im gleichen Lebensraum. Der Gepard war das einzige Raubtier, das schnell genug gewesen sein dürfte, um mehr als einen Gelegenheitserfolg beim Gabelbock zu erzielen, der wiederum zu schnell war für die anderen Großraubtiere und zu ausdauernd, um auch von seinem Hauptgegner ernsthaft dezimiert zu werden.
Gleichzeitig war das zwar langsamere Pferd (60 70 km/h) zu groß und zu wehrhaft für den Gepard. Die Räuber (Amerikanischer Löwe, Kurznasenbär usw.), die groß und stark genug waren, um ein Pferd überwältigen zu können, standen zu ihm in einem ähnlichen Laufleistungsverhältnis, wie der Gepard zum Gabelbock. Sie waren ausdauernder als der Gepard und das Pferd ausdauernder als sie. Das verdankt es übrigens vor allem seiner Fähigkeit zu schwitzen.
Wirklich zu Ende ging es auf dem Amerikanischen Kontinent mit Löwen, Geparden, Kalifornischen Panther, Kurznasenbären und Pferden erst nach dem Erscheinen des Menschen vor ca. dreizehn- bis zehntausend Jahren (Jungsteinzeit).
Zu diesem Zeitpunkt hatte die aus dem Pliohippus entstandenen Equiden allerdings bereits die gesamte alte Welt mit mehreren Arten für sich erobert.
Es ist umstritten, ob Menschen für das Verschwinden des Pferdes in Amerika verantwortlich waren. Fest steht allerdings, dass es in einigen Teilen der nördlichen Hemisphäre Stämme gab, die auf Pferdejagd spezialisiert waren. Dabei war es eine ihrer Hauptmethoden, ganze Herden in Abgründe zu treiben und sich die natürliche Konzipierung des Pferdes als Fluchttier zu Nutze zu machen.
Das war das Ende der selektiven Jagd.
Ein anderes Raubtier als der Mensch visiert in seinen Strategien einzelne und vor allem die schwächsten Tiere an, bzw. solche, die sich einzeln am Rand oder außerhalb der Herde befinden. Diese sind zudem vor allem männlich, und so bleibt (bei natürlichen Jagdweisen) die Basis für die Arterhaltung, nämlich die Mutterschaft und die Nachzucht, für die Regeneration der Population weitestgehend unbehelligt.
Das hat sich mit dem Streben des Menschen nach soviel Besitz wie möglich mit leider verheerenden Folgen verändert. Natur strebt stets nur nach soviel wie nötig.
In evolutionären Zeiträumen gerechnet existiert nun der Mensch allerdings erst einen Wimpernschlag lang. Da ist es dann kein Wunder, dass seine naturfremden Jagdmethoden in den Abwehrstrategien der Natur noch keine Berücksichtigung finden konnten, um die Ausrottung einiger Arten oder Populationen zu verhindern. Hier kann sich nur etwas positiv verändern, wenn sich in unserem Kopf und dann in unserem Verhalten etwas entwickelt.
Tiere sind jedenfalls ausschließlich auf die alten (sprich natürlichen) Jagdstrategien eingestellt. Da heißt das Prinzip eben auch: soviel wie nötig, nicht soviel wie möglich,
also Optimum, statt einseitigem Maximum.
Unter einem Optimum verstehe ich eine Kombination von gesunden Kompromissen, die in ihrer Gesamtheit einer hohen Anzahl verschiedener Erfordernisse im Leben eines Individuums Rechnung trägt.
Was bedeutet dies nun bezogen auf das Pferd?
Der Hauptschutz besteht vor allem im Zusammenwirken aller Abwehrmechanismen.
Die zielen zuallererst auf eine Früherkennung von Gefahren, um extreme körperliche Schutzaktivitäten gar nicht erst anwenden zu müssen. Dieses ist besonders gegeben durch die Funktionskreise, wobei sich die vorwiegend im Außenkreis befindenden männlichen Individuen als Frühwarner, bzw. als Ablenk- oder Kanonenfutter fungieren.
Ferner gibt es ein gut funktionierendes Wachhabendensystem, in welchem letztlich alle erwachsenen Stuten im Innenkreis (Kernzone) alternierend beteiligt sind.
Sollte es doch zu einer notwendigen Flucht kommen, so garantiert die klare Rangfolge, dass es gerade in dieser Situation, wo es darauf ankommt, geordnet zugeht, und zwar bis ins letzte Glied der Formation. Eine solche Herde ist in ihrer Gesamtheit zu einem Tempo bis zu 60 km/h fähig, ohne dabei die Bewegungsfolge des anatomisch günstigen Dreitaktes zu verlassen. Die Gruppe hält dies auch länger als jeder einzelne ihrer Jäger durch.
Deshalb waren auch hier, wie noch heute gut in den Savannen Afrikas zu beobachten, nicht die großen starken Katzen, oder die schnellsten die erfolgreichsten, sondern die Rudeljäger, die, sich gegenseitig ablösend, Wild über große Strecken hetzen konnten.
Die Statistik von Beobachtungen sagt folgendes aus:
Geparden brauchen durchschnittlich 10 Jagdzüge bis endlich einer erfolgreich abgeschlossen werden kann, was jedoch noch immer nicht bedeuten muss, dass er die Früchte seiner Mühen auch genießen kann. Zu viele möchten diese ihm gerne abjagen. Also bleibt ihm nur, die Beute vor Löwen, Leoparden, Hyänen usw. zu verstecken. Seine Erfolgsquote liegt also bei maximal 10%:
Bei den Löwen ist sie zwischen 30 und 50% anzusiedeln maximal. Dabei sind Löwen im Ngorongorokrater besser dran als die der offenen Savanne, da sie sich das ganze Jahr über in unmittelbarer Nähe zu ihren Beutetieren befinden, die ja ebenfalls wie sie das begrenzte Areal nicht verlassen müssen, denn deren Futter ist nicht saisonal schwankend. Außerhalb des Kraters hat es der »King« da wesentlich schwerer.
über die Erfolgsquote des Leoparden lässt sich weniger sagen, bestenfalls spekulieren, da sich seine Jagdmethoden sehr von denen anderer Jäger unterscheiden. Zudem lässt er sich dabei kaum in die Karten gucken, da er als absoluter Einzelgänger und vor allem vorwiegend in dunkelster Nacht unterwegs ist. Immerhin hat man diese gefleckte Katze dabei ertappt, wie sie, die Zugrichtung einer Antilopenherde vorausahnend, auf einen Baum kletterte und sich, als sich die Beute unmittelbar unter ihr befand, einfach vom Ast auf sie fallen ließ.
Die eindeutigen Sieger der Statistik sind jedoch die afrikanischen Wildhunde, bei denen aufgrund ihrer Rudelstrategie fast jeder Jagdzug erfolgreich abgeschlossen werden kann Quote: 95 100%.
Interessant ist dabei natürlich der Vergleich zu den Löwen, die im Rudel leben und je nach anvisierter Beute allein, zu zweit, oder im Rudel jagen. Ihre Fähigkeit, Wild zu hetzen, ist im Gegensatz zu den Wildhunden sehr begrenzt. Das gleichen sie allerdings dadurch aus, dass sie sich mit der geballten Kampfkraft des Rudels, wenn nötig einschließlich der männlichen Tiere, an wirklich großes wehrhaftes Wild heranwagen können, vom Kaffernbüffel bis zu großen Elefanten. Die kommen kaum als Beute für die Hunde in Frage, selbst mit der nicht seltenen Rudelstärke von 50 und mehr Individuen.
So, oder ähnlich derer, wie wir sie in den heutigen halboffenen oder offenen Landschaften Afrikas noch vorfinden können, dürfen wir uns auch die Verhältnisse in den Prärien Nordamerikas vorstellen, auf die dort einst die ersten Menschen stießen.
So waren sie in den Steppen des südlichen und östlichen Europas, sowie Innerasiens, sogar noch in der Zeit nach Christus, als in diesen Gebieten noch neben dem mächtigen Wisent, dem Pferd, den Halbeseln, der pfeilschnellen Saigaantilope, wie auch dem wehrhaften Auerochsen noch die dazugehörigen Jäger wie Kaspischer Tiger, Eurasischer Löwe, Gepard, Leopard und die Wölfe der nördlichen Hemisphäre existierten.
All diese Jägern haben dabei ein ähnlicher Bau ihrer Körper für die Jagd gemeinsam. Das sind vor allem bei den Katzen eine sehr biegsame und elastische Wirbelsäule, die sich im Spurt wie eine Feder aufziehen und strecken lässt, aber auch einen überfall im Catcher-Stil ermöglicht. Das betrifft auch die Pranken, mit deren Schlag man dem Opfer die Beine unter dem dahin schnellenden Leib gewissermaßen wegwischen und es so zu Fall bringen kann. Besonders aber sind bei all diesen Räubern die Karpalgelenke so elastisch gebaut, dass der Viertaktgalopp in höchster Geschwindigkeit auch bei Dauerbelastung keinen Schaden erzeugen kann.
Nun stellt sich daraus die Grundfrage, wegen derer ich dies alles so ausführlich behandle:
Wenn dieser Bauplan günstiger ist für diese Bewegung, warum sind dann nicht auch die Beine des Pferdes ebenso gebaut?
So ist jedes dieser Tiere von der Natur ausgestattet für die Erfordernisse, die seine Lebensumstände ihm aufbürden. Das Pferd ist aber auf jeden Fall nicht von der Schöpfung dafür vorgesehen, unsere Last zu tragen. Bürden wir sie ihm trotzdem auf, so sind wir auch dazu verpflichtet, dies so zu tun, dass es nicht zu seinem Schaden gereicht.
R.K.
Auch auf die Gefahr hin mich mit unpopulären äußerungen unbeliebt zu machen, muss ich eines gleich vorweg nehmen:
Kein Tier hat eine Vorstellung von Freiheit
Das Wort Freiheit ist ein rein menschlicher Begriff, oder vielmehr eine philosophische Kategorie, für ein Tier nicht fassbar. Deshalb benutze ich auch nicht gern Begriffe wie »in Freiheit« oder »Gefangenschaft«, sondern spreche lieber von der Natur, beziehungsweise dem Tier in menschlicher Obhut.
Gleichwohl hat das Tier Prämissen, deren Erfüllung oder Nichterfüllung dafür steht, ob das Tier sich wohl fühlt und gedeiht (sowohl physisch als auch psychisch), oder dies eben nicht tut und mehr in oder weniger starkem Maß leidet oder gar Schaden nimmt.
Bis vor etwa 70 Jahren war das Pferd zu aller erst ein militärisches Objekt und den dementsprechenden Notwendigkeiten unterworfen. Noch im zweiten Weltkrieg waren allein auf der deutschen Seite noch zwei Mio. Militärpferde im Einsatz. Die wenigsten von ihnen überlebten den Wahnsinn.
Auch im Bereich seiner zivilen Einsatzgebiete dauerte es nach dem Krieg nicht länger als etwa zwei Jahrzehnte bis auch dort die Pferde durch Motorfahrzeuge ersetzt wurden.
Entweder musste es sterben, oder sich ein anderes Einsatzgebiet für dieses Tier ergeben, das so maßgeblich wie kein anderes an der Entwicklung der menschlichen Gesellschaft beteiligt war.
Unsere Medien offenbaren uns seinen neuen Platz.
Es wurde als Freizeitpartner entdeckt, allerdings zu oft auch als Sportgerät missbraucht.
So wie seine Zahl wieder zunahm erhöhte sich auch die Zahl derer, die sich das Reiten oder Fahren und später auch den Besitz eines eigenen Pferdes leisten konnten. Vielen Landwirten rettete es dadurch auch die Existenz, denn seine Beliebtheit führte damit zur Entstehung vieler Pferdepensionen und Reiterhöfen.
Leider hat sich seither an den Lebensbedingungen unserer Equiden wenig oder gar nichts geändert.
Am Anfang der neunziger Jahre wurde kurzzeitig in der Fachpresse eine verstärkter Ruf nach artgerechter Tierhaltung in unserem Land hörbar.
Da fühlten sich selbst die renommiertesten Reitermagazine genötigt etwas zu diesem Thema zu veröffentlichen. Deren damaliger Marktführer druckte gar einen »Expertenbericht« von 5 bis 6 Seiten auf Hochglanz ab. Der »Experte« zog am Ende ein beeindruckendes Fazit, dessen Quintessenz folgendes aussagte: »Ein Boxenpferd lebt artgerecht, wenn es eine halbe Stunde am Tag gearbeitet wird«(Orginalzitat).
Der »Experte« war jedenfalls kein großer seiner Art.
Mir war nach dieser Lektüre schnell klar, dass er wie auch besagtes Magazin nichts anderes tat, als Lobbyarbeit für Besitzer teurer Boxenställe und Halter von Hochglanzpferden zu leisten. Diese könnten nämlich ihre Pferdegefängnisse dicht machen, wenn ruchbar würde, was artgerechte Haltung bei Pferden wirklich bedeutet.
Ein Pferd ist von Natur aus ein Fluchttier, ein Freilandbewohner und zudem ein Herdentier mit einem angeborenen Bedürfnis nach mindestens 11 bis 16 Stunden Bewegung täglich.
Das sagt eigentlich schon alles aber die Klienten des besagten Magazins verteidigen die Kerkerhaft ihrer Tiere mit den alten abgestandenen Argumenten. Demnach seien unsere modernen Edelrassen zu überzüchtet und empfindlich um auch bei schlechtem Wetter oder im Winter auf der Weide leben zu können
Ich habe einmal recherchiert wie es zu dieser Erkenntnis kommt.
Konzipiert ein Architekt oder Bauingenieur einen Stall, so besteht eine seiner Aufgaben darin das Raumvolumen so zu berechnen, dass die später darin gehaltenen Tiere in der Lage sind im Stehen mit ihrem Körper die Raumtemperatur in ein Behaglichkeitsniveau zu bringen und zu halten. Das wird beim Pferd im Allgemeinen bei etwa 6º C angenommen.
Inzwischen gibt es allerdings Menschen, denen dies nicht ausreicht, da sie es gut mit ihrem Tier meinen. Sie ermöglichen es ihrem Liebling es selbst wählen zu können, ob sie die frische Luft genießen, oder lieber drin Schutz suchen. Sie bauen einen Auslauf von 25 oder auch 50 qm und lassen die Tür dazwischen offen.
Nun ist es jedoch nicht mehr in der Lage mit seinem Körper die Raumtemperatur zu halten und der Auslauf nicht groß genug um ihm zu ermöglichen sich warm zu laufen.
Nehmen die Pferde in solchen Haltungsbedingungen jetzt Schaden, so steht das Fazit des Experiments sofort klar: Ein Pferd gehört bei schlechtem Wetter und im Winter in den Stall höchstens »Robustrassen« können da raus.
Ein Blick in die Fachliteratur sagt uns dann, wie es früher gemacht wurde.
Beim Bauern standen die Pferde im Stall und beim Militär auch, also wird das schon richtig sein.
Allerdings dort waren die Tiere den ganzen Tag über permanent eingesetzt. Sie arbeiteten enorm viel oder taten ihren harten Drill im Dienst eines Vaterlandes, von dessen Existenz sie nichts wussten.
Da waren sie dann auch froh, wenn sie einen trockenen Platz und ihr Futter hatten, selbst wenn sie nur eine Ständerhaltung kannten.
Jedoch - welcher berufstätiger Mensch ist heute in der Lage und verfügt über die Zeit seinen Freizeitpartner auch nur annähernd aus zulasten?
Ich kenne Reitervereine in denen jemand, der sein Pferd länger als 90 Minuten an einem Tag reitet als Tierquäler eingestuft wird und dies bei einem Tier, das die komplette restliche Zeit des Tages in einer, wie auch immer bemessenen Box zum Stehen verurteilt ist und dann noch (weil früher beim Militär so üblich) noch einen »Steh-Tag« pro Woche auf gebrummt bekommt also einen vollen Tag Kerkerhaft.
Was die Besitzer dann für Temperament, Kampfgeist oder gar Ehrgeiz halten ist schlichtweg Unausgeglichenheit und Ursache für einen großen Teil unserer jährlichen Unfallstatistik.
Die Versicherer täten sich einen Gefallen, würden sie Reitern, die ihre Tiere auf der Weide halten. Rabatte einräumen.
Zurück zu der ach so geringen Wetterhärte unserer »Edelrassen« .
Das Gegenteil trifft eher zu.
Bis in die sechziger Jahre des 20. Jahrhunderts war das Pferd in Mitteleuropa das einzige Haustier, das nicht von Qualzucht gezeichnet war.
Der Grund dafür ist simpel. Man wollte seine Kraft und Ausdauer für sich nutzen beim Ackerbau, im Handel, in den Forsten und im Krieg.
Und wo fand bitteschön das alles statt? Immer im Freien und bei jedem Wetter. Deshalb hat man seine ihm von der Natur mit gegebene Wetterhärte nicht nur erhalten, sondern sogar gefördert. Natürlich wurde sie auch immer in der Selektion berücksichtigt und ein Pferd, das bei schlechtem Wetter nicht mehr einsetzbar war, wäre nie in die Zucht gekommen.
Aber dann kam die Zeit derer, die sich Pferde als Statussymbole hielten die Zeit der Neureichen. Jetzt begann sich in der Zucht auch immer mehr verbogener Zeitgeschmack durch zu setzen.
Nun streben »Pferdeliebhaber« in der Araberzucht die ach so hübschen Hechtköpfchen so extrem zu züchten, dass ihre Zuchtprodukte nicht mehr den Beinamen »Trinker der Lüfte« verdienen. Ihre Nasengänge sind jetzt teilweise so eng, dass sie höchstens das Attribut verdienen: »Schnüffler der Lüfte« .
Nun müssen Pferde über sich ergehen lassen, was es bei anderen Haustieren schon lange gibt. Ihr Habitus wird im Sinne eines oft fragwürdigen Zuchtziels manipuliert. Zudem wird geschminkt, Tasthaare werden geclippt, Ohren ausrasiert und auch »Schönheitsoperationen« gibt es zu beklagen. Die Schermaschine ist ebenfalls bereits fester Bestandteil im Alltag vieler, ohne dass auch nur eines der Tiere wirklich etwas davon hätte.
Das Gegenteil ist nämlich der Fall. Nicht die normale Zucht (mit Ausnahme der Qualzuchterscheinungen), sondern unsere Manipulationen an den Tieren beeinträchtigen ihre Widerstansfähigkeit.
Ein nicht beeinträchtigtes Pferd hat nach oben, wie nach unten eine um 15ºC höhere Witterungstoleranz, wir können es auch Widerstandsfähigkeit nennen, als wir Menschen nebst unserer Kleidung.
In den USA gibt es einen Zuchtverband, der sich in den Kopf gesetzt hat Pferde mit extrem langem Schweif und extrem langen Mähnen zu züchten. Der längste Schweif soll 4,5m lang sein, die längste Mähne 2,5m.
So etwas hat nur Nachteile für das Tier. Die Konsequenzen für die Haltung? Sterile Boxen ohne Einstreu, denn die könnte sich ja im Langhaar festsetzen. Tägliches Shampoonieren und kunstvolles Einflechten von Mähne und Schweif. Vermutlich ist es auch nicht möglich solche Pferde ohne komplette Körperbekleidung und Beutel unterm Schweif ihr Kerkerdasein fristen zu lassen. Normales Reiten oder Fahren mit offenem Haar ist ebenfalls undenkbar und bei der ein geflochtenen Mähne ein gewaltiger Hitzestau im Halsbereich sicher.
So werden die armen Opfer dieser »Liebhaber« nicht etwa auf dem Reitplatz oder einem Führring vorgestellt, sondern mit wehendem Haar im sie lesen richtig Windkanal!!!.
Für mich ist dies Perversion in Reinkultur.
Ersparen wir uns das alles und vor allem, ersparen wir es unseren Pferden.
Gehen wir von den Bedürfnissen aus, die diese Tiere von Natur aus haben.
Keines unserer anderen Haustiere hat auch nur annähernd ein so hohes Bewegungsbedürfnis wie das Pferd. So gehört zu den Prämissen eines Pferdes, dass es seine Gliedmaßen in ausreichendem Maß benutzen will, wie auch ein Vogel seine Flügel dem Zweck gemäß einsetzen möchte. Sind in seinem Leben diese u. a. Bedürfnisse erfüllt, so ist für das Tier die Welt in Ordnung, auch wenn sich ein Zaun außen herum befindet.
Das ist aber bei einem Pferd in reiner Boxenhaltung nicht gegeben. Das »Zimmerchen« kann noch so schön sein und liebevoll hergerichtet sein es entspricht unseren und nicht seinen Bedürfnissen.
Ich kenne Tierschützer, die auf Demo´s gegen Käfighaltung bei Geflügel protestieren (übrigens mit Recht) und gehen dann anschließend auf die Rennbahn oder in ihren eigenen Stall um nach ihrem Liebling zu sehen, der dort ein genauso beklagenswertes Dasein fristet.
Seit vielen Jahren kommt bei mir kein Pferd mehr in den festen Stall. Auch meine Prämissen haben sich geändert.
Seit zwei Jahrzehnten stelle ich meine Fragen anders.
Früher: Was muss ich tun, um dies oder jenes mit dem Tier machen zu können?
Heute:Ist es einfach keine Frage mehr für mich. Ich verkneife mir jede Nutzung, die mich daran
hindern könnte mein Pferd artgerecht zu
halten.
Es ist fragwürdig, wenn nicht gefährlich, ein Pferd mit Stolleneisen auf einer Weide in der Herde zu halten. Also unterbleiben für mich Turniere, die mich dazu zwängen, mein Tier so zu beschlagen.
Nun gibt es nicht wenige Reiter, die der Meinung sind, Pferde müssten immer beschlagen sein. Besonders Schmiede höre ich das sagen.
Na klar, die verdienen ja am Beschlag.
Nun muss ich zugeben, dass eben wegen dieser Auffassung in den reicheren Ländern deshalb seit Jahrzehnten in der Zucht viel zu wenig Augenmerk auf die Hufqualität gerichtet wurde.
Trotzdem gibt es nur ganz selten Pferde, die wirklich solch schlechte Hufveranlagung haben, dass sie deshalb einen permanenten Hufschutz benötigten.
Liebe Pferdeliebhaber, die ihr gewaltige Summen ausgebt, damit eurem Tier ein Unterwasserlaufband und ein Solarium zugänglich wird, (das Solarium meines tierischen Freundes umfasst mehrere Hektar) gebt lieber Geld aus für eine gute Hufpflege. Sollte im Falle einer entsprechenden Nutzung ein Hufschutz nötig sein, dann gibt es inzwischen auch recht guten temporären Hufschutz.
Wenn ihr euerTier aber nicht nutzt, dann lasst es sich und seinen Kumpels.
Jedes Pferd gleich welcher Rasse hat die Grundfähigkeit im Freien zu leben. Selbst solche, die lange Zeit in Boxen gehalten wurden, lassen sich schnell wieder an ein Leben auf der Weide gewöhnen.
Geht die Anpassung überlegt vonstatten, freut sich auch ein altes Boxenpferd über die neu gewonnene Bewegungsfreiheit.
Es ist ein Irrtum anzunehmen, es sei schwierig ein Pferd in eine Herde zu geben, die schon längere Zeit zusammen steht und nur im Frühjahr möglich.
Prinzipiell ist es zu jeder Zeit möglich ein oder mehrere Tiere in eine Herde zu geben. Allerdings haben es Gruppen naturgemäß etwas leichter. Man sollte nur einige Dinge beachten.
Die Koppel sollte groß genug sein, damit sich die einzelnen Herdenmitglieder aus dem Weg gehen können, um sich anschließend einander annähern zu können.
Die Weideabgrenzung sollte keine spitzen Winkel oder Sackgassen aufweisen, in denen sich neue Tiere gewissermaßen »verfangen« könnten.
Unterstände sollten immer auf einer kompletten langen Seite geöffnet sein, damit nicht der gleiche Effekt entsteht.
Die Tiere sollten keine Halfter tragen. Diese bilden eine Gefahr für das Tier.
Bei Pferden, die lange in Boxen gelebt haben kann es durchaus sein, dass sie eine Weile brauchen die Riten zu erlernen mit denen sich das Herdenleben regelt. Sie müssen gewissermaßen erst sozialisiert werden. Deshalb sollte man diese eine Weile beobachten.
Bei extremer Witterung kann man sie ja auch für kurze Zeit in einem Reservequartier unterbringen. Erfahrungsgemäß ist das in unseren Breiten kaum nötig.
Abzulehnen ist allerdings die Herdenhaltung von Pferden, die mit scharfem Beschlag versehen sind. Erhöhte Aufwendungen, z. B. Für schraubbare Stollen, werden mehr als ausgeglichen durch entfallende Tierarztkosten.
Generationen übergreifendes Familienleben in einer Freilandhaltung erlernen Jungtiere am besten soziale Kompetenz
Wie ist es nun bestellt mit der Frage der Geschlechter?
Vor etlichen Jahren machte ein Fall in der regionalen Presse Sachsens von sich reden, den Tierschutzorganisationen öffentlich angeprangert hatten.
Ein älterer Herr, laut Leumund Vertreter der klassischen Hohen Schule, hielt 12 Lipizzanerhengste ausschließlich in Boxen von Standartgröße. Auf Umstände und den personellen Hintergrund möchte ich hier nicht weiter eingehen, sondern nur darauf wie sich die Angelegenheit für die Tiere darstellte.
Sie standen tagaus, tagein in ihren Boxen, wurden nicht einmal geritten und einen Koppelgang lernten sie ebenfalls nicht kennen.
Die Forderungen der Tierschutzorganisationen, über die Presse dargelegt, wurden lebhaft debattiert und ein Tauziehen zwischen ämtern und Organisationen beschäftigte für einige Zeit die Gemüter.
Der Besitzer der Tiere (Eigentum ist ja heilig) beharrte auf seiner Haltungsform und so ging das alles aus wie das Hornberger Schießen. Sein Argument, das seine Gegner nicht entkräften konnten war: »Hengste kann man nicht auf der Koppel halten. Wenn sie eine Stute sehen, dann hält sie kein Zaun auf. Hengste in der Gruppe zu halten gehe schon gar nicht. Die brächten sich gegenseitig um«.
Er hält seine Hengste noch heute so.
Ein Jahrzehnt nach der in Vergessenheit geratenen Debatte hatte ich auf dem benachbarten Grundstück zu tun und mehrere Monate lang besagten Hof nebst angrenzendem Weideland ganztägig direkt in meinem Blickfeld.
In dieser Zeit sah ich maximal zwei bis dreimal jeweils ein Pferd in einem Roundpen mit ca. 15m Durchmesser. Einmal in der Woche, meist am Samstag und selbstverständlich nur bei gutem Wetter, durfte jeder der Hengste einzeln für eine volle Viertelstunde!!! auf eine Koppel. Dabei achteten mit Peitschen bewaffnete Mädels darauf, dass sich das jeweilige Tier nicht allzu sehr dem, zugegebenermaßen nicht sehr Vertrauen erweckenden Zaun näherte.
15 Minuten Auslauf pro Woche!!!
Hengst zu sein bedeutet in Deutschland nicht nur an dieser Stelle ein bedauernswertes Dasein.
Für Hengstbesitzer, die derartiges ablehnen gibt es zwei Möglichkeiten: das Tier abschaffen oder recherchieren, wie man es anders machen könnte. Dies habe ich zur besagten Zeit durch zwei Fragen, die ich an vier Fachzeitschriften richtete, zu ermitteln versucht.
R.K.
Frieden auf einer Koppel mit 15 männlichen Pferden, wovon sieben erwachsene Hengste waren.
"Pferde in Sachsen und Thüringen" traute sich aus, wie geäußert "politischen Gründen", nicht diesen Artikel zu drucken. ähnlich reagierten auch andere Fachorgane. Er erschien in sehr entschärfter Form in der zweiten Ausgabe der "Piaffe" 2009 als Leserbrief.
Der Artikel erschien in Auszügen im Herbst 2006 in den beiden wichtigsten Kreiszeitungen im Kreis Döbeln und vollständig in der Januarausgabe 2007 von "Pferde in Sachsen und Thüringen". Das Bewertungssystem wurde von der obersten sächsischen Forstbehörde 2006 anerkannt und es gab bereits 2007 Anfragen von Reitern anderer Bundesländer, ob sie dies verwenden dürften. Dies habe ich selbstverständlich gebilligt.